Eine Wissenschaftsstadt gibt sich die falschen Gesetze
Am Donnerstag ist es soweit: Die Novelle zum Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) wird vom rot-roten Senat verabschiedet. Was bedeutet das?
Im Jahr 1999 einigten sich 29 Bildungsminister der Europäischen Union darauf, dass bis 2010 ein einheitlicher Europäischer Hochschulraum geschaffen werden soll. Das ist eine Einigung, die inzwischen jeder Studentin und jedem Studenten auf seinem Bildungsweg begegnet ist und ihn beeinflusst hat. Ausgenommen sind lediglich die Studierenden, die sich der Medizin oder einem rechtswissenschaftlichen Studium widmen.
Ein einheitlicher Hochschulraum, der sich über viele Nationalstaaten und noch mehr unterschiedliche Bildungssysteme umfasst, entsteht nicht durch Däumchen drehen, hoffen auf schönes Wetter, warten auf bessere Umfragewerte oder gar Ignoranz. Hierzu braucht es eine moderne Gesetzgebung, die sowohl auf die Studenten als auch auf die Hochschulen eingeht, um optimale Bedingungen zu schaffen.
Man möchte meinen, dass mehr als zehn Jahre ausreichen würden, um alle Beteiligten einzubeziehen und abgewogene Entscheidungen zu treffen. Doch leider ist es nicht so. Zehn Jahre befand sich der Berliner Senat in einem Tiefschlaf, der vor den anstehenden Wahlen im September nun abrupt endete.
Im Juli 2010 wurde ein Gesetzesentwurf für das BerlHG durch die Senatsverwaltung vorgelegt, zu dem es im März 2011 schließlich eine Anhörung im Wissenschaftsausschuss gab. Vergangene Woche hat sich der Wissenschaftsausschuss erneut getroffen. Dabei wurden Änderungen durch die Opposition vorgenommen und ebenso die Dringlichkeit der Novelle beschlossen, weshalb es am 12. Mai auch dem großen Plenum zur Abstimmung vorgelegt – und mit sehr großer Wahrscheinlichkeit mit einer rot-roten Mehrheit verabschiedet wird. Durch einen Prozess, der eine Dekade lang in aller Ruhe hätte durchlaufen werden können, galoppiert man nun im Eiltempo, gerade noch rechtzeitig vor der anstehenden Wahl.
Aber nicht nur der Vorgang an sich ist fragwürdig, auch dessen Inhalt. Eine Zwangsexmatrikulation soll nun erstmals rechtlich möglich sein. Es wird wissenschaftliches Personal abgestellt, das mehr lehren soll, aber nicht mehr Gehalt bekommt. Wann kommt dann die erste Lehrprofessur, die das Humboldt’sche Bildungsideal begräbt? Private Hochschulen werden immer noch diskriminiert. Die Betreuung von Bachelor- und Masterarbeiten ist nicht geregelt. Schon bei dieser kleinen Auswahl von Kritikpunkten kommen drängende Fragen auf: Was in den letzten zehn Jahren eigentlich passiert ist? An welcher Stelle sind Studierendenvertretungen angehört und ernst genommen worden? Quo vadis Humboldt? Quo vadis Wissenschaftsstadt Berlin?
Die Liberale Hochschulgruppe der HU fordert ein Hochschulfreiheitsgesetz, dass dem allgemeinen Anspruch eines Hochschulgesetzes entspricht: Gib der Hochschule einen tragfähigen Rahmen, aber regiere nicht in sie hinein. So entwickeln sich die optimalen Bedingungen für eine exzellente Lehre und Forschung.
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Verschlagwortet mit BerlHG, Senat